Tausende eröffnen ihre schräge Kirmes im Hippendorf
Trotz pausenlosen Nieselregens gab es gestern den ersten Ansturm auf das Volksfest. Relief für den Hammerschmied enthüllt
(Text: Klaus Bröking | WP/WR)
Gevelsberg. Der wetterfeste Teil der Gevelsberger Bevölkerung traf sich gestern auf der Kirmes. Hunderte waren beim Anblasen an der Kirmesmauer dabei. Tausende Menschen drängten sich am ersten Abend des Volksfestes trotz des abschreckenden Nieselregens zwischen bunt leuchtenden Geschäften der Schausteller.„Das sind Freudentränen“, hatte Michael Sichelschmidt, Vorsitzender des Kirmesvereins, den Zuschauern beim Anblasen mit Blick zum Himmel hinauf zugerufen. Immerhin sei es „zwei Grad unter“ – den Temperaturen am Heiligen Abend. Bernd Alexius, dem man seine schwere Erkältung kaum anmerkte, versicherte als Sprecher der Schausteller, er und seine Kollegen hätten mit Hilfe des Ordnungsamtes „eine schöne Kirmes“ aufgebaut: „Da gibt es kaum Lücken.“
Drei neue Blaukittel-Träger
Geehrt wurde anschließend der Schausteller Alfred Madest. Er ist seit 28 Jahren mit seinen Geschäft en auf der Gevelsberger Kirmes dabei. Bei ihm vergnügen sich die Menschen beim Korkenschießen und mit „Hau den Lukas“. „Bei seiner Wahl haben wir ins Schwarze getroffen“, bemerkte dann auch Michael Sichelschmidt passend. Hammerschmied Bernd Matthäi zeigte sich überwältigt, wie viele Menschen trotz des eher herbstlichen Wetters gekommen waren. Er versprach einen „Superzug“ am Kirmessonntag als Höhepunkt des Festes. Anlässlich des 50. Geburtstages der Symbolfigur wurde extra die Kirmesmauer verlängert, damit ein Relief mit seinem Hammer und Amboss – gesponsert von Arne-Bernd Lippe vom Autohaus Röttger – noch Platz finden konnten. Das sei nun die größte Kirmesmauer auf der schrägsten Kirmes Europas, freute sich Bürgermeister Claus Jacobi.
Und er habe im Rathaus geträumt („es war halb eins, die Arbeit erledigt“), dass der Hammerschmied zu seinem 60. Geburtstag eine Mauer vom Nirgena bis zum Hippendorf haben möchte. Und damit schwenkte das Stadtoberhaupt in die Rolle des Büttenredners über und erzählte von einem Alptraum. In dem wird das Bierglas auf der Kirmes verboten und der Plastikbecher zieht ein. Und das im Wahljahr 2014. „Wie willst du das politisch überleben?“, fragte er sich.
„Stuttgart 21 war schon schlimm, aber der Plastikbecher ist noch schlimmer“, hätten ihm die Menschen gesagt. Und damit die Polizei nicht in Wirklichkeit zu dem Mittel des Glas-Verbots greifen müsse, um Scherben – und damit verbundene Unfälle – zu verhindern, müsste Bruch eben verhindert werden. Und jeden, scherzte Jacobi, den er dabei erwischen würde, wie er ein Glas auf den Boden wirft, werde er persönlich über die Kirmesmauer nach Schwelm werfen. Auf dem Heimatfest in der Kreisstadt wird der Plastikbecher in diesem Jahr eingeführt. Übrigens: Der Bürgermeister überzeugte in seiner Rede auch in Plattdeutsch.
Und doch musste er dem Dorfschulzen alias Carsten Neef auch einmal den Vortritt lassen. Der ernannte drei neue Gehilfen, die ihm zur Seite stehen sollen und dann noch das Recht bekommen, „schwadronierend“ durch das Dorf zu ziehen. Die Ehre erhielten in diesem Jahr Hans-Jürgen Glintkamp, Jürgen Hartwig als Vorsitzender der Kirmesgruppe der Fidelen Vogelsanger und der Journalist Ralf Sichelschmidt. Jeder aus dem Trio erhielt eine überdimensionale Urkunde und als äußeres Zeichen seiner Würde den zumindest in Gevelsberg berühmten Blaukittel und ein rotes Halstuch.
Und schließlich sprach Claus Jacobi die Worte, auf die jedes Jahr die Menschen beim Anblasen warten: „Die Kirmes ist eröffnet!“ Als Quittung bekam er vier Böllerschüsse. Die feierlustigen Gevelsberger hatten allerdings nicht so lange gewartet. Während der offiziellen Zeremonie am Lindengraben hatte sich die Kirmes mit Massen gefüllt. Und sie taten genau das, was der Hammerschmied zuvor in seiner Rede gefordert hatte: „Trefft euch mit Freunden, trinkt mal ein Pils, an diesen Tagen ist das erlaubt.“