Dorfschulze ernennt fünf neue Blaukittelträger
Endlich! Nach zwei Jahren ohne die schrägste Kirmes Europas startete heute pünktlich um 19 Uhr der Marsch zum Anblasen von der VHS zur Kirmesmauer. Angeführt von der Spielleute-Vereinigung Gevelsberg, zog der Tross durch die ausgelassene Menge.
Auch wenn der Regengott meinte, noch einmal feucht durchwischen zu müssen, so ließen sich alle von dem bisschen Regen nicht aufhalten. Wo man auch hinschaute, überall nur strahlende und fröhliche Gesichter.
Zum letzten Mal führte Bernd Matthäi in seiner Funktion als Hammerschmied zusammen mit Bürgermeister Claus Jacobi und dem Vorstand des GKV den Zug der Blaukittel an. Entlang der Strecke jubelten ihnen die zahllosen Kirmesfreunde auf der Straße, in den offenen Fenstern und von Balkonen aus zu.
Bevor Dorfschulze Sascha Hilger die neuen Gehilfen des Dorfschulzen ernannte, ergriff Hammerschmied Bernd Matthäi das Wort. Sichtlich gerührt, bedankte er sich bei seinen beiden Begleiterinnen, die im in den 13 Jahren bei seinen zahlriechen Aufgaben und Auftritten immer zur Seite standen.
Für Svenja Kirschhofer und Alex Brandt gab es einen bunten Strauß und ein Flasche Sekt. Die von Bernd Matthäi angekündigte Karibikreise kommentiere Vorsitzender Markus Loetz umgehend: „Die Reise wird nicht vom Kirmesverein bezahlt!“
Bedingt durch die zweijährige Zwangspause hatte sich der Vorstand des Gevelsberger Kirmesvereins dazu entschlossen, gleich fünf neue Gehilfen mit dem traditionellen blauen Kittel und dem roten Halstuch auszustatten. Somit hatte Dorfschulze Sascha Hilger alle Hände voll zu tun.
Als gebürtiger Gevelsberger Wolf Schlieper ist vielen Bekannt. Immerhin hatte der heute 82-Jährige über 30 Jahre ein Maler- und Anstreicher-Geschäft in der Stadt. 1950 nahm Wolf Schlieper als 10-Jähriger zum ersten Mal am Kirmeszug teil. Dies sollte sich auch in den nächsten 30 Jahren nicht ändern. Auch wenn das Mitglied des Bewertungsausschusses zwischendurch einige Jahre in Ennepetal Bülbringen wohnte, blieb er der Kirmes immer verbunden. Als Bewerter kann Wolf Schlieper bereits auf 25 Jahre zurückblicken.
Ebenfalls seit Jahrzehnten als treuer Freund der Kirmes kann sich zurecht Peter C. Schulte bezeichnen. Ebenfalls in Gevelsberg geboren, lernte der heute 83-Jährige in jungen Jahren im Kruiner Gussstahlwerk den Beruf des Handformers. Nach einiger Zeit im Fernverkehr machte er im November 1962 seine Prüfung zum Fahrlehrer.
Von 1964 bis 2001 brachte er vielen Gevelsbergerinnen und Gevelsbergern das sichere Fahren auf der Straße bei, bevor er die Fahrschule in jüngere Hände gab. Seit der Eröffnung ist Peter C. Schulte aktives Mitglied der Kirmesgruppe Hippendorf. Mehrere Jahre ging er als „Tante Anna“ kostümiert im Kirmeszug mit. Das dabei getragene Hochzeitkostüm seiner Urgroßmutter kann heute im Heimatmuseum bestaunt werden.
Mit Wolfgang Apel wird ebenfalls ein stadtbekannter Kirmesfreund neuer Blaukittelträger. Er ist zwar gebürtiger Hattinger, fühlt sich aber seit vielen Jahren als Gevelsberger. Durch seinen Dienst bei der Polizei kam der Hauptkommissar 1984 nach Gevelsberg. „Seitdem habe ich jede Kirmes begleitet“, so der 62-Jährige.
Ob nun bei der Verkehrsregelung beim Kirmeszug oder beim Einsatz an den fünf Tagen auf der Kirmes: Immer hilfsbereit und wenn es sein musste auch energisch, sorgte er mit für eine fröhliches Kirmeszeit. 2001 wechselte der verheiratete Vater einer Tochter, die im Übrigen in seine Fußstapfen gestiegen ist, in die Verkehrserziehung. Vor acht Jahren übernahm der stolze Großvater zweier Enkel den Bezirksdienst in Gevelsberg.
Der GKV ernennt mit Uwe Jessinghaus einen weiteren verdienten Kirmesfreund zum Gehilfen und Blaukittelträger. Auf die Frage, ob er gebürtiger Gevelsberger sei, kommt ein klares „NATÜRLICH!“. Schon von Berufswegen hat der 64-Jährige seit Jahrzehnten mit der Kirmes zu tun. Begann er doch 1973 seine Ausbildung bei der Stadt Gevelsberg und als Beamter im Ordnungsamt, so war er immer auch für die Planungen rund um die Kirmes zuständig.
Seit 1985 kennen ihn auch die Schausteller als ihren ersten Ansprechpartner in allen Fragen rund um das wichtigste Fest in Gevelsberg. Die Kirmesgruppe Im Dörnen kennt Uwe Jessinghaus seit seiner Kindheit. Immerhin war sein Vater über Jahre der 1. Vorsitzende. Da lag es Nahe, das er 1990 dieses Amt übernahm und bis heute inne hat.
Seit 2019 Mitglied im Präsidium, zeigte sich der verheiratete Familienvater von zwei Kindern überrascht von der Nominierung. „Ich habe mich über den Anruf sehr gefreut und musste keine Sekunde darüber nachdenken.“
Das fünfte neue Mitglied der Dorfschulzengehilfen ist mit Marion Matthäi – die einzige Frau in der Runde. Als Ehefrau vom nun aus dem Amt scheidenden Hammerschmied Bernd, hat sie in den ganzen Jahren ihrem Ehemann für seine Aufgaben immer den Rücken freigehalten.
Die Gevelsbergerin wurde bereits als 6-Jährige „mit dem Kirmesvirus infiziert“, denn seit 1965 ist sie in der Kirmesgruppe Im Dörnen. Fünf Jahre leitete sie hier den Vergnügungsausschuss. So mancher erinnert sich mit Sicherheit an ihre Darstellungen als Einzelgängerin im Kirmeszug. Immerhin zehnmal sorgte Marion Matthäi auf diesem Weg für Stimmung am und im Zug.
Darüber hinaus leitete sie eine Zeitlang die Kindergruppe der Kirmesgruppe und hatte vor sieben Jahre die Idee zur Gründung der Allstars, die beim Kirmesabend immer wieder aufs Neue für riesige Stimmung sorgen. „Die Verantwortung für die Allstars übernimmt zukünftig Simone Höfel,“ berichtete die heute 63-Jährige.
„Ich werde aber in der Gruppe weiter aktiv sein.“ Als sie vor 18 Jahren Ihren Bernd auf der deutschen Ostseeinsel Fehmarn heiratete, kollidierte der Polterabend doch glatt mit dem Kirmesabend. Aber auch nur, weil der damalige Vorstand diesen Abend nicht wie gewohnt zwei Wochen, sondern nur eine Woche vor der Kirmes ansetzte. „Damit haben wir absolut nicht gerechnet“, kann sie heute darüber schmunzeln.
Anschließend ergriff Schausteller Andreas Alexius das Wort. Er rief den ehemaligen Ordnungsamtsleiter Arnim Schäfer auf die Bühne, der seinen Abschied in den wohlverdienten Ruhestand seinerzeit durch die Pandemie nicht richtig feiern konnte. Im Namen der Schausteller erhielt er von Alexius ein Modell eines Karussells und ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Let’s go Arnim“.
Hammerschmied Bernd Matthäi überreichte Andreas Alexius ein kleines Startkapital für einen Bauwagen, der einmal eine Sauna werden soll. Hintergrund: Den Anbau an seinem Haus in Ennepetal für eine Sauna scheitert an einer Genehmigung durch die Stadt. Für die Hammerschmied Begleiterinnen hatte er auch noch jeweils eine Handvoll Fahrchips dabei, damit sie mit Ihren Kindern einmal die Kirmes so richtig genießen können.
All dies überreichte er im Namen aller Schausteller, die sich seinerzeit riesig über die Spende durch die Gevelsberger Bevölkerung in der Pandemie gefreut hatten. Uwe Jessinghaus danke er ebenfalls für die 30-jährige Zusammenarbeit rund um die Kirmes.
„Was heute passiert, darauf haben wir drei lange, bittere Jahre gewartet,“ so Bürgermeister Claus Jacobi. „Es ist endlich wieder Kirmes und es macht mich unendlich froh, dieses große Ding heute hier eröffnen zu dürfen.“ Dabei forderte er alle Kirmesfreunde auf tolerant und weltoffen zu sein, und niemanden auszugrenzen, egal woher er kommt und was er denkt, glaubt oder fühlt.
Der Bürgermeister weiter: „Was Gevelsberg in den nächsten Tagen der Welt zeigt, an Lebensfreude, an Ausgelassenheit, an Miteinander über alle Grenzen hinweg, dass soll ein Vorbild für ganz Europa sein in diesen Tagen, die uns wieder traurig machen, weil in Europa zurzeit ein Gespenst umgeht, das niemand von uns mehr für möglich gehalten hätte. Er rief alle auf, in der längsten Nacht von Freitag auf Mittwoch nicht zu vergessen, was für ein Schatz es ist, friedlich miteinander Kirmes zu feiern.
Zum Schluss zählten alle von zehn bis eins rückwärts, um dann lautstark auszurufen: Die Kirmes ist eröffnet! Die drei Böllerschüsse waren für alle Musik in den Ohren!
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