Die Weltmeisterschaften im Einparken
170 Schausteller ziehen auf das Kirmes-Gelände ein. Millimeterarbeit auch fürs Ordnungsamt.
(Text: Klaus Bröking | WP/WR)
Gevelsberg. Haben Sie gedacht, Sie hätten das absolute Verkehrschaos auf der Fahrt in den Urlaub auf der Autobahn erlebt? Dann waren Sie aber noch nicht am Aufbautag der Gevelsberger Kirmes auf der Elberfelder Straße. Da fanden gestern die Weltmeisterschaften im Einparken statt – mit Chaosgarantie. 13 Uhr, noch eine Stunde, bis es los geht. Die Schausteller warten bereits mit ihren Wohnwagen, Fahrgeschäften und Buden in den Seitenstraßen. Acht Mitarbeiter des Ordnungsamtes und 16 der städtischen Betriebe sind auf dem späteren Kirmesgelände unterwegs. Dazu Polizei, Feuerwehr und Verkehrsbehörde. „Wenn das vorbei ist, dann sind wir reif für die Insel“, lacht Uwe Jesinghaus vom Ordnungsamt und man sieht dem 55-Jährigen an, dass ihm der Stress auch Spaß macht.
Gelbe Kreidemarkierungen zeigen die Stellplätze für die insgesamt 170 Attraktionen auf der Kirmes an. Dutzende Verkehrsschilder müssen abmontiert werden. Bernd Gräfingholt und Heiko Riesner machen das. Wie viele es sind? Vielleicht 60 oder 70, vielleicht 100? Gezählt haben die Arbeiter die Schilder nicht. Dächer von Garagen werden abgesichert, damit niemand heraufklettern kann. Matten liegen über verlegten Leitungen. Hydranten werden markiert, damit sie nicht aus Versehen zugestellt werden. „Jedes Stück ist durchdacht“, sagt Jesinghaus auch mit Stolz in der Stimme und zeigt auf die Elberfelder Straße.
Allein die Einrichtung der Umleitungen dauert anderthalb Stunden. Der Engelbert-Tunnel wird mit gigantischen Toren verschlossen. „Damit niemand hinein und etwas anstellen kann“, nennt Jesinghaus den Grund. Und doch wird jemand während der Kirmes im Tunnel bei der Arbeit sein. Das Landesstraßenbauamt nutzt die Verkehrs-Pause für Wartungsarbeiten.
Gefahren für Kinder
Es ist kurz vor 14 Uhr. Die Ruhe bewahren, ist die Devise für die Männer und Frauen von der Stadt. Das Startsignal für die Schausteller, aber auch für die Neugierigen. Viele Kinder sind darunter. „Auf die müssen wir besonders achten, damit sie nicht unter die Räder kommen“, sagt Jesinghaus und beschließt jetzt seinen Mini-Cooper gegen ein Motorrad zu tauschen: „Sonst komme ich gleich nicht mehr durch.“
Ein paar Plätze auf Privatgeländen sind bereits von Fahrgeschäften und Wohnwagen besetzt. Das dient der Entspannung. Der Rest hat den Startschuss vernommen. Den Anfang macht ausgerechnet der Toilettenwagen, der sich zuerst an der Lindengrabenstraße breit machen muss, sonst hat er keine Chance mehr dort hin zu kommen. „Der Wagen muss sofort weg“, schreit ein paar Meter weiter ein aufgeregter Herr mit grauen Haaren und wird dann sofort kleinlaut: „Oh, ihr seid von der Stadt, das habe ich nicht gesehen.“
Es gibt nämlich einige Privatwagen, die den Ablauf stören. Wohnwagen verschwinden an ihnen vorbei in die Winkelgasse. Dann kommt der Breakdancer und biegt auch in die schmale Straße ein. Verfahren? Nein! Der Schausteller will das Fahrgeschäft rückwärts auf den Kirmesplatz einparken. Zwei Männer schreien dem Fahren oft gegensätzliche Kommandos zu. Es geht aber alles glatt. Das „Kirmesvolk“, wie man es liebevoll in Gevelsberg nennt, leistet Millimeterarbeit beim Einparken. Die Markierungen sind schon schwer mit dem bloßen Auge zu sehen, vom Führerstand eines Lkw hat man kaum eine Chance. Und doch: Wenn einer dem anderen einen halben Meter abnimmt, dann passt die ganze Gevelsberger Kirmes nicht mehr.
Einige Schausteller merken, dass die „schrägste Kirmes Europas“ nicht nur ein Versprechen, sondern auch eine Drohung sein kann. Schließlich muss das Geschäft am Hügel grade stehen. Kein Fahrgeschäft würde sonst in Schwung kommen, kein Bierglas auf der Theke ruhig stehen bleiben. Da kommt man schon auf die Idee, mit einen Schlenker einen Stellplatz mit etwas weniger Steigung zu ergattern. „Alles wie in jedem Jahr“, schüttelt eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts den Kopf, „es ist eben Kirmes“.