Hexerei vom Lusebrink

Mit den Lusebrinkern ist in diesem Jahr nicht zu spaßen, sie setzen ganz auf Hexerei. Schon im Oktober letzten Jahres haben sie angefangen zu bauen, denn „wir wollten eine ruhige Bauzeit. Keinen Stress diesmal.“ Es klappte auch alles gut, bis zu jenem Tag, als der TÜV seine Auflagen verkündete. Da hätten sich die Lusebrinker gewünscht, wirklich zaubern zu können. Vorsitzender Reinhard Hupka: „Die Auflagen des TÜV haben uns bestimmt drei Wochen Zeit und insgesamt 3000 Euro gekostet. Für eine so kleine Gruppe ist das kaum zu stemmen.“ Ihren ersten Wagen haben die Lusebrinker völlig neu aufgebaut, den zweiten durch einen neuen Wagen ersetzt, hinzu kamen noch die Bremsanlage und neue Reifen. „Unsere Kasse ist damit vollkommen leer“, seufzt der Vorsitzende.

Von all diesen Sorgen wird der Besucher am Straßenrand am Kirmessonntag jedoch nichts wahrnehmen. Er darf wie immer ausgelassen feiern und sich am Anblick der mit so viel Herzblut entstandenen Darstellungen erfreuen. Trotz aller Hürden haben die Lusebrinker wieder einmal alles gegeben, um den Kirmeszug mit einer fröhlichen, einfallsreichen Wagendarstellung zu bereichern. Wie schon jetzt zu erkennen ist, gelingt ihnen das wieder überzeugend.

Hexe saust aus Schornstein herab

Im ersten, dem großen Wagen, saust eine Hexe über ein Seil aus dem Schornstein herab. „Das sollte eigentlich ein Mensch sein, aber aus Sicherheitsgründen ist es jetzt eine lebensechte, toll zurechtgemachte Puppe“, beschreibt Fredi Fiedler die Überlegungen zum Wagenaufbau. Auf diesem Wagen gibt es auch eine Hexenschule mit vielen echten Zauberlehrlingen im Kindesalter. Früh übt sich das Hexenvolk.

Horst Brauer: Merlin gibt sich als Hexe

Ein Zauberwald mit riesigem Fliegenpilz und ein Hexentanzplatz mit Hexenkessel, in dem Zauberbrei brodelt, schmücken den zweiten, kleineren Wagen. Bevölkert wird die Wagendarstellung der Kirmesgruppe von rund vierzig Hexen und Zauberern. Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender Horst Brauer würde dank seiner 82 Jahre glatt als Merlin durchgehen, aber er treibt sein Unwesen diesmal als Hexe.

Ein Bett auf dem Bauplatz

Im Großen und Ganzen werden die beiden Wagen von nur drei Männern gebaut: Reinhard Hupka (Vorsitzender), Fredi Fiedler (Vorgänger im Amt des Vorsitzenden) und Reiner Pattberg. „Wir hatten in den letzten Wochen das große Glück, dass uns noch ein guter Mann half, sonst hätte es wohl düster ausgesehen. Rolf Balbinot, ein Haufer Junge, ist uns eine ganz große Hilfe“, sind die drei Männer dankbar für die unverhoffte Unterstützung und gleichzeitig auch traurig, dass es die 13. Kirmesgruppe nicht mehr gibt. Im Oktober 2010 zogen die Aktiven schon die ersten Fäden für das große Spinnennetz, bauten Backofen und Brunnen und schnitten 600 Bruchsteine aus Styropor für die zunftgerechte Behausung der Hexenleute aus. Fredi Fiedler hatte zur Arbeitserleichterung maßstabsgerechte Zeichnungen erstellt. Im März ging dann die Bauzeit richtig los. Reinhard Hupka: „Wenn ich Nachtschicht habe, bin ich jeden Tag um 11 Uhr auf dem Bauplatz. Von 18 Uhr bis 6 Uhr am Morgen geht meine Nachtschicht in Marl, aber um 11 Uhr stehe ich dann wieder hier.“ Auch Fredi Fiedler lebt mehr auf dem Bauplatz als zu Hause. Seine Bärbel wollte ihm schon das Bett auf den Bauplatz stellen. „Das kann ich doch auch selber!“, bot er an. Aber Bärbel sah es realistischer: „Da hast du doch gar keine Zeit zu!“ So ist es, wenn man vom Kirmesfieber gepackt wird, das wie Malaria jedes Jahr wieder ausbricht, ein Leben lang. „Wenn unsere Frauen nicht mitmachen und hinter uns stehen würden, wäre das hier nicht möglich“, erkennen die Männer die Verdienste ihrer Frauen selbstverständlich an. Die Frauen sind mit den Kostümen befasst und mit allem, was nicht unmittelbar mit dem Bau selbst zu tun hat. Auch an diesem Nachmittag sind sie mit auf dem Bauplatz. Der Kirmesvirus hält in jedem Lebensalter vital. Ein Beispiel: Hanna Brauer ist mit ihren 88 Jahren noch so jung, dass sie bei jedem Sommerfest von Dä vam Lusebrink von morgens bis abends an der Kasse sitzt. Hut ab!

Früher viele Horten-Mitarbeiter

Auf den Sommerfesten versprechen uns junge Leute oft, dass sie mitmachen wollen, aber dann kommen sie doch nicht zum Bauen“, bedauert Reinhard Hupka. Die Gruppe hätte gern junge Helfer. „Die jungen Leute müssten ja nicht einmal Mitglied werden. Es wäre natürlich schön, wenn sie sich bei uns so wohl fühlten, dass sie auch Mitglied werden“, spricht Reinhard Hupka den großen Wunsch der Lusebrinker aus. Denn das jetzige Durchschnittsalter der Gruppe ist hoch. „Am Anfang hatten wir viele junge Leute, aber auch wieder nicht so viele zum Arbeiten“, erinnert sich Fredi Fiedler. Fast alle waren damals bei Horten bzw. Rupprecht beschäftigt. Als das Kaufhaus schloss, verzogen sie oder wurden versetzt.

Die Anfänge der Kirmesgruppe

Die Kirmesgruppe Dä vam Lusebrink gründete sich 1973, ein Jahr später kam Fredi Fiedler dazu. Er war zwölf Jahre lang im Vorstand und 23 Jahre Vorsitzender. 1994 zog Reinhard Hupka nach Gevelsberg, der Liebe wegen. In den ersten Jahren half er beim Bauen, nach der Kirmes 1998 wurde er Mitglied, seit 2000 ist er Vorsitzender der Kirmesgruppe. Gebaut hat die Kirmesgruppe anfangs fast ohne Eigenmittel in Schwelm auf der Scharlicke. Die KG Schnellmark half für den ersten Lusebrink-Wagen 1974 mit Nägeln und anderen Bauutensilien aus. Auch heute ist die Kirmesgruppe finanziell nicht auf Rosen gebettet und froh um jeden Euro. Da ist Hammerschmied Bernd Matthäi ein hochwillkommener Besucher auf dem Bauplatz. Er bringt den Kirmesgruppen, die danach gefragt haben, rotweiße Absperrketten für den Kirmeszug vorbei, als Spende.

Kirmessonntag Abschied von Treckerfahrer Rolf Mielke

Am Kirmessonntag 2011 heißt es für die Lusebrinker Abschied von einem Mann zu nehmen, der seit 1975 den Lusebrink-Wagen mit seinem Trecker gezogen hat. Landwirt Rolf Mielke, 80 Jahre alt geworden, darf sich auf eine kleine Feier freuen. Jeden Kirmessonntag gibt es bei den Lusebrinkern eine Helferfete mit Grillen und Gemütlichkeit. Das ist gute Tradition der Gruppe. Die Gevelsberger Kirmes und die Gruppe Dä vam Lusebrink sind für die Aktiven eine Herzensangelegenheit. Fredi Fiedler: „Man hat die Gruppe aufgebaut, ohne Werkzeug, ohne Nägel angefangen. Dafür sind wir heute ganz schön weit gekommen. Der Umbau hier auf dem Bauplatz an der Wittener Straße ist über Jahre erfolgt. Heute kommen viele Nachbarn zu uns.“ Nach Stichworten zum Thema Kirmes gefragt, kommen die Antworten spontan: „Gemeinschaft, Traditionserhalt, Ehrgeiz, Sucht, Kreativität“ – längst nicht die ganze Bandbreite von Kirmeserleben.

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