Ein lautes „Schiff ahoi“ zum 90sten

Der Gevelsberger Kirmeszug und die Kirmesgruppe „Pinass Brumse“ – zwei Charaktere, die seit 90 Jahren untrennbar miteinander verbunden sind. 1934 waren es nämlich die Gründer der Kirmesgruppe, die zugleich auch den ersten Kirmeszug in der Gevelsberger Geschichte ins Leben riefen und damit eine unvorstellbare Bewegung in Gang setzten. In den 1920er Jahren gab es immer wieder Bestrebungen seitens der Stadtverwaltung, die Kirmes nicht mehr wie nach alter Tradition in der Elberfelder Straße stattfinden zu lassen.

„Was dazu führte, dass sich ein Protestzug aus den damaligen Dorfbewohnern formierte“, erzählt der 1. Vorsitzende Stefan Remmel. Womit er gleichzeitig auch die Entstehungsgeschichte der „Brumse“ einleitet. 1934, so fährt er fort, sei es dann soweit gewesen: Günther Gedat, Emil Alberts, Hugo Hesterberg, Albert Rothe, Werner Michael und Wilhelm Hedtstück, der damalige Wirt der Gaststätte „Stadtschänke“ in der Neustraße 7, versammelten sich verkleidet als Matrosen, um mit einem Pferdewagen, auf dem sie ein altes Rettungsboot aus dem Strandbad platziert hatten, anlässlich der Kirmes durch die Innenstadt zu ziehen. 

Mit Gedat stand dabei nicht ein 1. Vorsitzender an der Spitze dieser Gruppe, vielmehr war er ihr „Kapitän“, der sich „Ingenol“ nannte. Womit auch nahe lag, dass der Heimathafen der Seeleute der „Pier 7“ war, wie sie die Gaststätte „Stadtschänke“ nannten. „Das war somit die Geburtsstunde unserer Kirmesgruppe.“ Mit Blick auf den Namen, so verraten die Kirmesfreunde, sei dieser „aus eben jener Sache mit dem Rettungsboot“ entstanden und würde daher auch keinen bestimmten Stadtteil, wie bei den andere Gruppen, bezeichnen. „Pinass kommt von Pinasse, dem Beiboot, und Brumse ist die Kombination aus zwei Schiffen der deutschen Marine, die damals unter der Bezeichnung Brummer und Bremse in See stachen.“

Höhen und Tiefen bestimmten fortan das Kirmesgeschehen der „Brumse“. So fand 1939 zum Beispiel der vorläufig letzte Gevelsberger Kirmeszug statt. Bis 1949 musste dieser, wie auch die Kirmes selbst, in den dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte nämlich pausieren. 1960 trat der Brumse-Vorstand, der mit dem damaligen Kirmesausschuss identisch war, zurück. Das einst so stolze Schiff wäre wohl untergegangen, wenn da nicht der Nachwuchs-Kirmesfreund Willi Konermann gewesen, wie Anja Bohle berichtet.

Er betrat 1966 die Kommandobrücke und scharte zunächst einige Getreuen aus der alten Mannschaft, vor allem aber auch neue Gefährten um sich. Von 1966 bis 1990 stand Konermann ununterbrochen an der Spitze der Gruppe. „Ihm folgte bis 1997 Axel Schramm.“ Auch ihm, sowie Wolfgang Hirch und Ralf Weiß habe man sehr viel zu verdanken, fügt Bohle hinzu.

Kirmesfreunde, die das Schiff nicht haben untergehen lassen. Sie selbst wurde 1997 dann als „erste Frau in einer reineweg bestehenden Männerdomäne“ zur Vorsitzenden an die Spitze einer Gevelsberger Kirmesgruppe gewählt. „Das war damals schon etwas ganz besonderes“, erinnert sie sich ein wenig stolz. Ihr folgten 2002 Dirk Henning, 2007 Willi Ebbinghaus, 2009 Andreas Kalin und 2019 der nach wie vor amtierende 1. Vorsitzende Stefan Remmel.

In all den Kirmeszügen, welche die „Pinass Brumse“ seit ihrer Gründung bestritten hat, wurden neben der Wagendarstellung auch Fußgruppen ins Rennen geschickt. 1970 gewann man dabei mit dem Thema „Pat und Patachon“ den ersten Preis. Eine Frauengruppe tummelte sich 1992 mit „Gevelsnopoly“ beim Kirmeszug und musste zehn Jahre lang warten, bis sie 2002 erstmalig den ersten Platz einfahren konnten.

Nicht zu vergessen die Einzelgänger, die Jahr für Jahr die Zuschauer entlang der Zugstrecke erfreuten und der Brumse-Nachwuchs, der im Jahr 2000 erstmalig an den Start ging und als „Tele-Tubbies“ direkt auf das oberste Treppchen kam. „Nur mit einem ersten Platz bei der Wagendarstellung hat es bis dato noch nicht geklappt“, wirft Anja Bohle in den Raum. „Letztes Jahr waren wir knapp davor, am Ende sollte aber nicht sein.“

Sie erinnert sich an etliche Wagenmotive, welche die in Verbindung zum Namen standen, aber auch einige, die auf Themen eingingen, die die Menschen in der Stadt bewegten. „Egal welchen Platz man am Ende erreicht, uns ist es in erster Linie wichtig, die Menschen zu begeistern“, hebt sie hervor und bekommt Gänsehaut, wenn „ich mich daran erinnere, wie man im letzten Jahr auf die Mittelstraße einfuhr“. Die begeisterte Menschenmasse, die Freude aller – ein Gefühl „das man in Worte nicht ausdrücken kann“.

Auch abseits des Kirmesgeschehens ist die Mannschaft um Stefan Remmel sehr aktiv unterwegs. Man unternimmt Ausflüge, richtete von 1995 bis 1997 eine Country- und Western-Night aus, eine feste Einrichtung ist das „Kloatscheeten“ als Hommage an die Waterkant  und die Marinetradition der Gruppe sowie das beliebte Menschenkickerturnier in der Aula Alte Geer, das in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feierte.

„Gevelsberg und seine Kirmesgruppen sind eine große Familie“

Auch an städtischen Veranstaltungen nimmt man teil und pflegt mit einem Besuch bei den Festivitäten anderer Kirmesgruppen das gute Miteinander. „Gevelsberg und seine Kirmesgruppen sind eine große Familie“, so Remmel.  Könnte man einen Blick in die Glaskugel werfen, „dann möchten wir alle natürlich den 100. Geburtstag feiern“, sagt er und bekommt von seiner Truppe dafür ein zustimmendes Nicken.

Doch erst einmal gilt es neun Jahrzehnte hochleben zu lassen. Sowohl während der Kirmes „bei uns am Bierstand“ als auch beim Kirmeszug am 30. Juni, wie die „Brumse“ verspricht. Viel geben sie diesbezüglich aber noch nicht preis, da sich „die Leute einfach überraschen lassen sollen“. Doch etwas sickert schon durch: Ein 3,80 Meter große Kapitän Ingenol wird im Zug dabei sein, noch nicht ganz fertig, da auch das Werk der Kirmesgruppe bis dato noch nicht vollendet ist. 

Zur großen XXL-Feierstunde „90 Jahre die Brumse“ wird er seemännisch abgestützt auf einem Symbol seiner Mannschaft stehen, um die Schar der Gratulanten persönlich zu empfangen. Im „Pier 7“ ist für die Gäste schon alles vorbereitet. Hier warten kühle Getränke – alles ein wenig überdimensioniert, so wie die immer wiederkehrende Herausforderung des Kirmeszuges. 

Und auch die Geburtstagstorte präsentiert sich als ein konditorisches „großartiges“ Meisterwerk. Was Günther Gedat und seine Mannschaft 1934 an den Start brachten, das darf man in Gevelsberg wahrlich als ein brauchtümliches XXL-Meisterwerk bezeichnen.

Foto(s): André Sicks, Pinass Brumse (Archiv)

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